Mit ein paar Tränen in den Augen sitzen wir vor dem Computer und sehen zu, wie die Auktionsuhr langsam abläuft. Richtig nervös sind wir! Sie zählt herunter, kein weiteres Gebot kommt mehr, und zack, da ist er verkauft. Es ist endgültig, jetzt besitzen wir eigentlich gar nichts mehr. Nicht mal mehr die Dreckskarre! Wir haben ihn also nun doch erfolgreich online versteigert! Dafür haben wir ein wenig Startkapital, um nicht komplett unvermittelt daheim anzukommen. Mitsamt aller Werkzeuge und der Campingausrüstung ist er verkauft, an einen Classic Car-Club in New York. Da ist sein neues Zuhause. Und schon ein paar Tage später fliegen die Mitarbeiter des Automobilclubs nach Tampa ein und begutachten ihr neues Stück. Sie bekommen noch eine Rundum-Tour in und um den Bus, und dann steigen die beiden doch tatsächlich ein und fahren damit weg. Einfach so! Mit unserem Bus! Wir können’s noch gar nicht richtig fassen, aber jetzt scheint die Reise wirklich, wirklich vorbei zu sein. Weg ist er, DER Bus! Am nächsten Tag stehen wir dann auch schon am Flughafen, zwei Koffer und eine Kite-Tasche im Schlepptau, mehr bringen wir nicht mehr mit. Wieder fliegen wir heim, um Weihnachten zuhause zu verbringen – doch irgendetwas ist anders: ja, wir bleiben dieses Mal länger…

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Seit drei Wochen sind wir nun schon zuhause, und wir fühlen uns pudelwohl. Das Kapitel „Leben auf der Straße“ ist abgehakt, und es bleiben uns die vielen aufregenden, schönen und faszinierenden Erinnerungen, genauso wie die frustrierenden Momente. Da gibt es die vielen Orte wie Bolivien oder Patagonien, an die wir sofort wieder zurückkehren würden. Wir mochten die täglichen Rituale, das Zeltdach aufzustellen, uns in die warmen Schlafsäcke zu mümmeln und unseren Morgenkaffee mutterseelenallein am glasklaren Fluss zu schlürfen. Tagelang waren wir allein unterwegs, ohne einem anderen Menschen zu begegnen. Da ist es dann umso überraschender, plötzlich auf andere Overlander zu treffen, ein (oder zwei) „Feierabendbierchen“ zu öffnen und sich über die erstaunlich ähnlichen Erfahrungen auszutauschen. Dass uns die Dreckskarre so einiges an Zeit, Geld und vor allem Nerven gekostet hat, können wir ja kaum schönreden. Wie oft haben wir in Gedanken schon einen Container nach Hamburg bestellt. Am Schluss erschienen die Klippen an der Westküste Mexikos fast perfekt, um dem Auto den endgültigen Tritt in den Hintern zu verpassen. Vieles haben wir gelernt, durch Learning-by-doing und auch durch erfolgreiches Kaputt-Reparieren. Tobi unter dem Bus, im Matsch, bei Regen oder 45 Grad – diese Augenblicke haben sich wohl für immer in meine Erinnerung eingebrannt. Und doch haben wir durchgehalten, der Bus hat sich der vielen Flucherei ehrfürchtig gebeugt und schlussendlich hat er uns fast überall hingefahren, wo wir es ihm befohlen haben. Es gab so gut wie keine Straße, die wir nicht fahren konnten, der T3 ist für uns trotz aller Plackerei der (gutaussehende) Kompromiss von Offroadfahrzeug und Wohnraumwunder. Nur etwas Zeit und Lust zu Schrauben, die sollte man mitnehmen, wenn man sich schon den VW-Bus als Reiseuntersatz aussucht. Dass die Repariererei kein Ende nimmt, war ja schon in der Reisevorbereitung klar. Dass es zur Hauptsorge wird, jedoch nicht. Die Beziehung zum Bus schwankte von inbrünstigem Stolz zu tiefgründigem Hass. Insgesamt haben wir drei Monate der Reise in Werkstätten verbracht. Wir haben dort gecampt, mit den Familien gelebt und oft über unseren Reiseabbruch nachgedacht. Immer waren es Probleme, von denen „noch nie jemand vorher gehört hat“. Bis zum Ende gab es tatsächlich kein Teil mehr, das wir nicht in Behandlung hatten. Kleinigkeiten wie kaputte Lager, Turboinstandsetzungen und … waren irgendwann nichts Besonderes mehr. Die erste Motorrevision in Chile hat bereits den routiniertesten VW-Bus-Mechaniker dort zur Verzweiflung gebracht. Die zweite Motorüberholung hat Tobi dann in Kolumbien einfach allein bewerkstelligt. Warum wir uns das antun, haben sich genug Leute gefragt. Weil wir’s einfach durchziehen wollten, und vor allem, weil uns der Bus mit all seinen spontanen Problemen immer bei erstaunlichen Menschen abgeladen hat. Wir haben wochenlang in den Werkstätten gecampt und gelebt, wir sind in den Häusern der Mechaniker ein und aus gegangen, als wär es unser Zuhause. Wir sind durch deren Wohnzimmer gestiefelt, haben ihre Badezimmer benutzt und haben an ihrem täglichen Leben mit all seinen Höhen und Tiefen teilgenommen. Da waren Geburten, Krankheiten, Streitigkeiten… und wir DURFTEN teilnehmen! Vor allem in Südamerika haben wir viel von der Offenheit der Menschen profitiert. Sie sind vielleicht nicht die pünktlichsten, fleißigsten oder korrektesten – aber von Zusammenhalt, Gastfreundlichkeit und gegenseitiger Hilfe verstehen sie definitiv sehr viel.

Natürlich gibt es vieles, was wir anders machen würden. Nicht alle Reiseziele haben die Erwartungen erfüllt, viele würden wir nicht mehr bereisen. Vieles hat uns, gerade gegen Ende, auch wahnsinnig genervt. Mañana, mañana, komm ich heut nicht, komm ich morgen (auch nicht).

Dafür können wir glücklich behaupten, dass wir in den zwei Jahren keinem böswilligen Menschen begegnet sind. Zumindest haben wir es nicht bemerkt, wenn wir einem gegenüberstanden. Wir haben uns bemüht, immer offen und lachend auf die Menschen zuzugehen, und trotz des anfangs recht spärlichen Spanisch-Wortschatzes uns in der Landessprache zu verständigen. Und die Reaktion darauf war ein genauso offenes, breites Lachen.

Ohne Zeitdruck zu reisen ist wahrscheinlich der größte Luxus. Auch an weniger schönen Orten haben wir Erfahrungen gemacht, die wir nicht missen möchten. Manchmal ist es nicht wichtig, wo man steht, sondern mit wem oder warum.

Haben wir uns immer sicher gefühlt?

Ja, eigentlich schon. Wir hatten wenige Situationen, in denen wir das Gefühl hatten, weiterfahren zu müssen. Vielleicht, als nachts eine verrückte Dame im kleinen roten Minikleid an unserem Bus hochgeklettert ist, oder als ein paar betrunkene Jugendliche uns bei Dunkelheit eingeparkt haben und die Musik aufgedreht haben. Solche Situationen haben sich jedoch stets als ungefährlich erwiesen – zum Glück. Bei der täglichen Schlafplatzsuche haben wir stets eine Grundregel beachtet: fühlt sich einer von uns beiden am Schlafplatz nicht wohl, wird weitergefahren, ohne Diskussion.

In großen Städten haben wir uns tatsächlich nie zu 100% wohl gefühlt. Wildes Campen ist dann einfach schwierig, und gibt es nicht einen bekannten Campingplatz, findet man meist nur unschöne Seitenstraßen, um frei zu stehen. Solche Aufenthalte haben wir daher auf ein Minimum reduziert – in freier Natur fühlen wir uns sowieso wohler. Mit der Zeit entwickelt man Strategien, in unsicheren Regionen oder auf langen Fahrstrecken sichere Stellplätze zu finden. Die Hauptdurchfahrtsstraßen in Honduras und in einigen Gegenden Mexikos zum Beispiel sind einfach nicht die hübschesten Orte, was die Übernachtung angeht. Um Umwege zu sparen, haben wir hier meist an bewachten Tankstellen übernachtet. Ein Trinkgeld und einen Kaffee für den bewaffneten Nachtwächter, und schon hatten wir neben einem sicheren Schlafplatz gleich noch ein paar Sightseeing-Tipps und eine nette Unterhaltung inne.

Was würden wir anders machen?

Wir bereuen nichts, und doch würden wir das nächste Mal einiges anders machen. Wir sind große Berg-Fans, das aufregende Patagonien mit seinen vier Jahreszeiten pro Tag zählt einfach zu unseren Favoriten. Die endlose Weite von Argentinien und Chile fanden wir grandios. Im Hochland von Bolivien haben wir fast drei Monate verbracht, weil wir so fasziniert waren. Wälder, klares Wasser und Berge gefällt uns einfach besser als tropisches, schwüles Klima. Und so haben wir in Mittelamerika stets ein wenig Sehnsucht nach dem Süden gehabt. Dauerhaftes Schwitzen bekommt uns einfach nicht! Daher würden wir das nächste Mal wohl um Zentralamerika herumschiffen – auch wenn wir das kunterbunte Guatemala, das interessante Belize und die brodelnden Vulkane Nicaraguas dann verpassen würden…

Zu zweit, 24 Stunden, 2 Jahre lang…

… wie funktioniert das? Tja, irgendwie hat es geklappt. Schon der Beamte in der amerikanischen Botschaft in München hat mir bei der Visums-Ausgabe prophezeit, dass dies wohl die größte Herausforderung der Reise werden würde. Wir haben’s überstanden, und wir sprechen noch miteinander. Wir glauben, dass es alles zwischen uns ein wenig beschleunigt hat, langes Zusammenleben und routinierten gemeinsamen Alltag hatten wir vorher nicht, dafür dann ab Uruguay konzentriert und ohne Ausweichmöglichkeiten. Kurzum, wir haben uns super verstanden, waren ein gutes Team und leben tatsächlich immer noch zusammen!

Anja

Was hat auf der Reise gefehlt?

Echter Käse, echter gekochter Schinken und echtes Mineralwasser.

Was hat dich am meisten genervt?

Speed-Bumper!!! Ganz Süd- und Mittelamerika baut depperte Hügel, um Menschen dazu zu zwingen, langsamer zu fahren. Zu finden sind sie in Städten, vor Bergen, außerhalb von Städten – eigentlich überall. Die Höhe und der Neigungswinkel sind immer unterschiedlich, manchmal werden sie per Schild angekündigt, manchmal aber auch nicht, und manchmal werden unerwartete Negativhügel gebaut. Sehr hohes Fluchpotenzial!

Wo geht’s als nächstes hin?

Zum richtigen Metzger. Auf eine österreichische Skihütte. Und in den Schuhladen.

Tobi

Was hat auf der Reise gefehlt?

Einmal war die Anja so krank, dass sie unten und ich oben im Dach geschlafen habe, da hab ich sie schon sehr vermisst… Quatsch! Bier mit den Jungs, Play Station, und Bestellpizza natürlich!

Was hat dich am meisten genervt?

USA

Wo geht’s als nächstes hin?

nicht in die USA