Jetzt wird’s aber Zeit, wieder was zu schreiben! Dabei sitzen wir schon wieder in Griechenland, ich kuck auf’s türkisblaue Meer und überleg, was wir vor vier Wochen so getrieben haben. Man denkt ja immer, man hat unendlich Zeit, aber dann geht’s doch immer rum wie nix, wir fahren tagsüber viel, kucken uns was an, sind in der Pampa mit der Suche nach Wasser beschäftigt, mal gibt’s eine kleine Panne am Auto. Und dann muss man ja fast ständig in irgendeinen Bergsee oder ein glasklares Meereswasser hüpfen – schon ist der Tag dann wieder vorbei, da kommt man echt zu nix! Hach, was für ein hartes Leben…

Also, Albanien. Wir halten uns hier weiter im Nordosten auf, es geht auf Schlaglöchern und staubigen Serpentinen durch Berge und dichte Wälder. Hier ist nicht allzu viel los, aber die Gegend ist sehr schön, mit grün-braunen Hügelketten und vielen kleinen Flüssen und Seen. Ab und zu nehmen wir Anhalter mit, da sitzt oft die ältere Generation (in Hemd und Sakko!) am Straßenrand und wartet, bis jemand sie in die 20 Kilometer entfernte Stadt mitnimmt. Sie sehen irgendwie nie so aus, als würden sie schwitzen, ganz anders als wir. Vielleicht gewöhnt man sich ja irgendwann mal an die Hitze…

Als wir in Kukës ankommen, stellen wir fest, dass die Grenze zum Kosovo ja nicht weit ist. Also biegen wir rechts ab, und 20 Minuten später halten wir eine kosovarische Autoversicherung in der Hand und steuern Prizren an. Die zweitgrößte Stadt des Landes könnte zum nahe gelegenen Kukës auf albanischer Seite gar nicht kontrastreicher sein. Hier schleichen die dicken, schwarzen SUVs durch die engen Straßen und die hübsche Altstadt ist voll von Menschen. Cafés, Burgerläden und Aperol-Bars florieren, im Vergleich zum ärmeren Nordalbanien geht es hier richtig geschäftig zu. Die wohl blinkendste Ecke ist die Hochzeitsstraße. Faszinierend, da reihen sich auf zwei Kilometer Straße ausschließlich Geschäfte aneinander, die Brautkleidung für Damen verkaufen. Und gefühlt haben alle dasselbe Sortiment. In der Parallelstraße können sich dann die Männer mit Anzügen eindecken. Glitzersteinchen und Goldbänder, fast wär ich schwach geworden, sowas kriegt man bei uns bestimmt nicht zu kaufen 😉

Seit Ende des Kosovokrieges sind im Land die multinationalen Truppen der KFOR stationiert. Unter Leitung der NATO kontrollieren sie das Land und sorgen für öffentliche Sicherheit und Ordnung. Wir besuchen das Kloster Visoki Dečani, ein bedeutendes Wallfahrtszentrum der serbisch-orthodoxen Kirche. Die Anlage wird immer noch rund um die Uhr von KFOR-Einheiten bewacht, da sie in den letzen 20 Jahren weiterhin Ziel von Angriffen albanischer Extremisten gewesen war. Wir lesen sogar, dass die über zwanzig hier lebenden Mönche sich nach wie vor nicht nach nebenan in die albanisch geprägte Stadt Dečani trauen, um einzukaufen oder Dinge zu erledigen, sondern unter KFOR-Geleit Sammeleinkäufe nach Montenegro und Serbien unternehmen. Am Eingang lassen wir unsere Pässe da und streifen durch das Klostergelände. Alles ruhig und gepflegt, die Anlage ist super erhalten, wenn man bedenkt, was hier sonst alles zerstört wurde und immer noch brach liegt.

Weiter nördlich machen wir Halt am Kloster Peć in Peja, ebenfalls ein serbisch-orthodoxer Kirchenkomplex. Nachdem es 2006 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde, hat der damalige Bischof beschlossen, es rot anzumalen, um es “besser sichtbar zu machen”. Ob das die Besucherzahlen erhöht, keine Ahnung, aber schön ist auf jeden Fall die Lage, es liegt nämlich am Ausgang der 25 Kilometer langen Rugova-Schlucht, die sich zur montenegrinischen Grenze hinzieht. Leider schüttet es wie aus Eimern, und so fahren wir alles einmal ab, ohne oft auszusteigen.

Bei der Autowäsche machen wir eine sehr nette Begegnung: im Café nebenan schlagen wir die Zeit herum und werden prompt von der Besitzerfamilie eingeladen. Sie freuen sich über den deutschen Besuch, sind überhaupt total begeistert von Deutschland und fahren gleich ein umfangreiches Bespaßungs- und Verpflegungsprogramm für Sophia auf. Ein paar Bierchen, Cappuccini und Überraschungseier später sind wir um einige Lebensgeschichten reicher. Der Vater hat in der Schweiz gelebt und sein Geld zuhause in die Familie investiert, der Sohn hat in Deutschland gearbeitet und jetzt haben sie hier ein Café-Restaurant eröffnet. Der gesamte Verdienst wird in die familieneigene Neubausiedlung hinter dem Restaurant gesteckt, dort wohnen Geschwister, Großeltern, Cousine, Neffe… die komplette Großfamilie auf einem Fleck, hier ganz selbstverständlich. Und nett sind sie alle! Überhaupt, wir werden an jedem Fruchtstand, an jeder Tankstelle auf Deutsch angesprochen und eigentlich hat jeder einen Verwandten, der in Deutschland lebt. Unser Nachmittag im Familiencafé gibt jedenfalls reichlich Einblicke in die Gegenwart und die Vergangenheit des Kosovos, und allein für diesen Ausflug hat sich unser Abstecher gelohnt!