Wir haben keine Zeit! Hätten wir welche, würden wir wohl noch ein wenig bleiben, hier, in Nicaragua. Im Vergleich zu Südamerika reisen wir jetzt aber anders. Wir haben einen groben Zeitplan entwickelt, denn im November möchten wir wieder im Flieger nach Hause sitzen. Ab Florida, wohlgemerkt. Und da alle Entgegenkommenden bei den Worten „Mexiko“ oder „Baja California“ leuchtende, feuchte Augen bekommen, müssen wir uns dafür noch etwas Zeit nehmen. Und so versuchen wir, hier in Mittelamerika ein wenig zu beschleunigen. Tatsächlich fällt es uns auch nicht mehr allzu schwer. Alle Länder sind interessant, natürlich, doch seit geraumer Zeit fangen wir wirklich an, uns nicht mehr für noch einen Nebelwald oder eine weitere Mangroven-Kanufahrt zu begeistern. Wir sortieren aus, und zwar gewaltig. Das „ich muss unbedingt alles sehen“-Gen ist mittlerweile mutiert, ich hätt’s anfangs ja nicht geglaubt, dass das möglich ist!
Wir picken uns heraus, was uns interessiert, und da gibt’s schon immer noch einiges. Zusammen mit dem Schweizer Team Rudolph steuern wir nach einer Reifenpanne (diesmal nicht wir, juhuu!) das eher unbekannte Bergmassiv Peñas Blanca im Norden Nicaraguas an. Glückstreffer! Wir stehen auf dem Bauernhof der Familie von Don Chico, werden in ihrer Küche bewirtet und dürfen gemeinsam mit dem Señor „seine“ Berge erkunden. Richtig, seine Berge. Den Weg hoch auf die Klippen, durch den Wald, den hat nämlich er konstruiert. Mit Steinen, Baumstämmen und Leitern, und alle paar Tage kämpft er sich mit seiner Machete durch den Wald, die Flechten und Lianen überwuchern sonst den Weg in Nullkommanichts wieder. Macht ihm aber nichts aus, der 78-Jährige stapft (oder eher joggt) munter durch’s Geäst und zeigt uns all die Pflanzen, die sie als Heilmittel gegen Magenschmerzen, Nierenprobleme und Hauterkrankungen benutzen. Der Wald, die einzig wahre Apotheke. Und wir hecheln hinterher. Der Weg ist steil und es ist schwül. Don Chico wartet nach jeder Steigung auf uns und grinst, was das Zeug hält. Mit seinen Gummistiefeln und der Machete geht er vorneweg, und wir, mit unseren Outdoor-Shirts und Digitalkameras hinterher. Er schwitze noch nicht einmal, erzählt er uns immer wieder stolz. Und plappert von anderen Touristen, die an dieser und jener Stelle bereits schlapp gemacht hätten. Als er sich dann auch noch an einer Liane fünf Meter hochzieht, sind wir langsam echt frustriert. Welche Pflanze muss man dafür rauchen???
Im Garten gehen wir bei Dunkelheit auf Frosch-Entdeckungstour, in der Küche werden wir mit deftigem Essen vom Feuer versorgt und zum Abschied von der herzlichen Familie nehmen wir noch eine Packung Kaffee mit – perfekter Aufenthalt!
Unsere letzte Station in Nicaragua soll der Cañon de Somoto im Norden sein. Der Canyon entspringt dem Rio Coco, dem längsten Fluss Mittelamerikas. Wenn der Wasserstand es erlaubt, kann man hier wandern, sich den Fluss hinabtreiben lassen und sich von Felsen aus ins Wasser stürzen. Canyoning nennt man das ja bei uns in Fachsprache, klingt lustig, machen wir sofort. Wieder landen wir bei einer warmherzigen Familie, die Teil einer Kooperative ist. Wir stehen wieder auf dem Familiengrundstück, zwischen Schwein, Hühnern und Kühen. Hier leben Vater, Bruder, Sohn mit Anhang – eben alle, zusammen auf einem Grundstück, und alle helfen sie zusammen. Früher haben sie nur vom Ertrag des Bauernhofs gelebt, seit der Entdeckung des Canyons als Tour-Spot haben einige Familienmitglieder die Lizenz zum „Guide“ erworben und führen jetzt Touristen durch das spannende Wasser nebenan. Morgens um 6 Uhr wird das Feuer auf dem Holzofen angeschürt und die Großmutter startet die Massen-Tortilla-Produktion. Jeden Tag verarbeitet sie eine riesige Teigmenge, die Maisfladen müssen schließlich für geschätzte 20 Personen reichen, Frühstück, Mittagessen und Abendessen eingeschlossen. Sie weisen uns ein in die Kunst der Tortillas und schon verdrücken wir wieder Fladen, diesmal mit flüssigem Frischkäse. Schon lecker! Aber der Bauchansatz…
Mit Fausto und seiner Schwester hüpfen wir dann durch die Schlucht und haben riesig Spaß. Auch beim 5 Meter-Sprung (gell, Miri??)!
Ein gelungener Abschluss von Nicaragua war das. Auch hier haben wir viele herzliche und lustige Menschen kennenlernen dürfen. Und es ist nicht nur ein Abschied von Nicaragua, sondern nun auch von unseren Schweizer Freunden! Fast einen Monat sind wir mit ihnen seit Panama jetzt nochmal gemeinsam gereist. Wir werden aber als nächstes im Norden Nicaraguas nach Honduras einreisen, während die beiden sich noch ein wenig mehr Zeit hier „unten“ gönnen. Schön war’s mit euch, haltet die Ohren steif, und auf ein Wiedersehen in Europa (wenn nicht zuuufällig in Mexiko…!)!!!
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