Schwuppdiwupp ist es vorbei mit der spanischen Sprache, mit der Mañana-Mentalität und mit dem günstigen Peso. Und dann sind da die vielen farbigen Streifen am Boden, die vielen Warnschilder am Straßenrand. In riesigen Supermärkten, Restaurants und auf achtspurigen Highways finden wir uns urplötzlich wieder. Nun sind wir also angekommen, sozusagen auf der Zielgeraden, in den USA. Beide haben wir Familie hier, die wir schon jahrelang nicht mehr gesehen haben und die seit zwei Jahren auf unseren Besuch hinfiebert. Nach etwas Zeit bei Familie in Kalifornien wollen wir „schnurstracks“ nach Florida und von dort den Bus und uns nach Hause schicken. Ob das alles nach Plan verläuft…?

Als Jugendliche hab ich meine Familie in Kalifornien zuletzt gesehen, wir freuen uns riesig über unser Wiedersehen! Und dann sind da noch so viele mehr, die ich nur dem Namen nach kenne. Anfangs bräuchten wir ein Flipchart mit Stammbaum, um uns alle zu merken! Gleichzeitig gewöhnen wir uns wieder an ein richtiges, großes Bett…

Ein anderes Highlight wartet auch noch auf uns – wir treffen Freunde aus Deutschland. Es ist ungewohnt, aber sehr schön, auf einmal bekannte Gesichter von Zuhause zu sehen! Wir versuchen, ihnen auf ihrer Rundreise-Route ein wenig zu folgen, und stellen fest, dass wir echte Geizhälse geworden sind. Jeden Penny drehen wir um, aber ein kurzer Restaurantbesuch kostet uns auf einmal eben so viel wie ein ganzer Wocheneinkauf in Mexiko. Wird echt Zeit, sich auch wieder an europäische Preise zu gewöhnen…

Wir wandern gemeinsam durch den Nationalpark Yosemite und schnuppern den Rauch der letzten Waldbrände. Kein Wunder, dass es im Park nur so von Touristen wimmelt, die Ausläufer der Sierra Nevada hier sind beeindruckend. Vor allem die markanten Felsen Half Dome und El Capitan faszinieren. Im Juni hat der US-Amerikaner Alex Honnold den 1000 m hohen Giganten El Capitan im Free Solo-Stil, also allein und ohne Sicherung, in knappen 4 Stunden bezwungen. Wow, und verrückt zugleich. Von unten beobachten wir im Sonnenuntergang, wie die Kletterer ihr Nachtlager in einem der Felsvorsprünge am El Capitan aufschlagen. Das muss ein Ausblick sein, von dort oben!

Die größte Umstellung hier ist die Schwierigkeit, einen Stellplatz zu finden. Die kalifornische Regularienmaschine wütet ordentlich, so viele Verbotsschilder haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Wildes Übernachten ist in den meisten Regionen verboten, Campingplätze und günstige Hotels sind ausgebucht. 200 USD-Übernachtungen sind sowieso nicht mehr drin, in unserem fast ausgeschöpften Reisebudget. Selbst unsere Freunde haben eine harte Zeit, überhaupt noch freie, bezahlbare Unterkünfte zu finden – alles im Umkreis von 100 km um das Silicon Valley ist gerade ausgebucht, denn das neue iPhone wird vorgestellt. An der Küste von Morro Bay finden wir ein freies Motel für sie, wir haben uns hier verabredet und wollen das letzte freie, schäbige Zimmer für 200 USD schon mal reservieren, bis sie nachkommen. Die humorlose, indische Besitzerin fragen wir dann gleich noch, ob es denn für uns eine Möglichkeit gäbe, in ihrer Parking Lot oder um’s Eck im Auto zu übernachten, nur ein paar Stunden Schlaf in der Nähe unserer Freunde, mehr wollen wir ja gar nicht. Als hätten wir ihr einen illegalen Waffenhandel angeboten, flippt sie regelrecht aus. Das wäre so was von verboten, irgendwo im Auto zu übernachten, und dann noch in ihrer Parking Lot, da müsse sie ja dann eine Strafe bezahlen – nein, das geht so was von überhaupt nicht! Ist gut, wir haben ja nur nachgefragt… Als ich die Kreditkarte aus dem Auto hole und zu ihr ins Büro zurückkehre, schnappt sie sich nervös den Telefonhörer, hält ihn ans Ohr und blafft uns an, sie hätte soeben das Zimmer sowieso schon vermietet, nix mehr frei. Uh, jetzt hat man schon Angst vor uns. Der VW-Bus und die zwei kleinen deutschen Gestalten, sehr verdächtig…

Wir schwingen uns ins Auto, mittlerweile ist es 22 Uhr, und überlegen, was wir jetzt tun. Prompt sehen wir das Blaulicht im Rückspiegel. Seltsames Timing… Ein Polizist lehnt sich an die Fahrertür und fragt, warum wir kein Nummernschild hätten. Kein Schild? Ist es etwa abgefallen? Er kuckt nochmal nach und stellt fest, dass da ja doch eine Nummer ist. Das ist ein ausländisches Nummernschild? Ach so, interessant. Ja, übernachten im Auto ist hier verboten. Campingplätze? Also, selbst wenn wir uns einen der 150-USD-Campingplätze leisten wollen würden – die sind alle ausgebucht. Wir sollen uns doch einfach ein nettes Hotel nehmen, meint er. Das da gegenüber hätte auch gleich das beste Steakrestaurant der Stadt. Super, unser Geldbeutel schreit Hurrah bei 350 USD. Nachdem wir unseren Freunden ja das freie Zimmer durch unser kriminelles Auftreten versemmelt haben, fahren sie 120 km entfernt ins nächste buchbare Hotel, und wir machen uns auf zur nächsten Highway-Rest-Area. Da darf man 8 Stunden stehen, um zu schlafen. Wenn Platz ist. Wir kommen dort spät nachts an und finden einen Spot – an der Autobahnauffahrt. Der Parkplatz ist nämlich schon gerammelt voll. Morgens um 6 klopft es dann energisch am Fenster. Schlaftrunken blicken wir raus, es ist – natürlich – ein Polizist. Wir stehen nämlich an der Highway-Auffahrt, das wär natürlich auch nicht erlaubt. Auch alle anderen 30 parkenden Autos werden aufgeweckt und weggeschickt. Klar, verstehen wir, aber genervt sind wir trotzdem.

Wir erfahren, dass es in Kalifornien unzählige Menschen gibt, die zwar einem geregelten Job nachgehen, aber vorübergehend oder auch dauerhaft im Auto leben. Die Miet- und Kaufpreise für Wohnraum sind dermaßen teuer, dass viele sich das schlicht und ergreifend nicht leisten können. Obdachlosigkeit mal anders, und wir irgendwie mittendrin.

Auf dem Weg Richtung San Francisco fahren wir rechts ran, am Seitenstreifen steht ein blinkender T3, vielleicht gibt’s was zu helfen. Ein Vater mit zwei Söhnen aus Bayern, mit einem Miet-Bulli sind sie unterwegs, und der hat eben nun ein Problem mit der Wasserpumpe. Klar, wir sagen’s ja, wer mit einem VW-Bus eine Reise macht… Wir spielen gleich das Taxi zurück zur Mietstation bei San Francisco. Am nächsten Morgen treffen wir uns wieder zum Frühstück, bekommen noch einen bayerischen Masskrug von ihnen geschenkt, und sind mal wieder glücklich über die kleinen Begegnungen, die uns immer wieder zu neuen netten Menschen führen.

Genauso freuen wir uns über ein Wiedersehen mit Brian und Mia, die wir in der Baja California getroffen haben und uns nun nach Santa Cruz einladen. Sie löchern uns mit Fragen über unseren Trip. Fast ehrfürchtig staunen sie über die Regionen, die wir bereist haben. Überhaupt fällt uns auf, dass viele der Länder „da unten“ hier in den USA eine äußerst schlechte Reputation haben. Öfters hören wir, dass Argentinien ja gerade so einen grausamen Diktator hätte, und Mexiko wäre außerhalb der Baja California ja gar nicht betretbar. Ein Glück, dass wir das überlebt hätten. Und zum wiederholten Male werden wir gefragt, ob wir denn eigentlich noch nach Ostdeutschland einreisen dürften. Auch über unsere aktuelle Flüchtlingspolitik und Wahlergebnisse hören wir echt schockierende News – die Macht der Medien, sie ist nicht zu unterschätzen…

Der wunderschöne Highway Nr. 1 führt uns nach Norden, wir machen einen Fotostopp und wundern uns, warum andere mit dicken Stativen am Straßenrand stehen. Dann sehen wir es auch – eine Gruppe von Buckelwalen ist vor der Küste auf Futtertour, immer wieder springen sie in die Höhe, um mit ihrem riesigen Maul Fische und Krill einzusammeln. Wow, bisher haben wir sämtliche Walsaisons immer verpasst, und hier halten wir einfach mal für eine Stunde am Straßenrand, um ihnen beim Fressen zuzusehen.

In San Francisco lernen wir eine neue Art des Wildcampens kennen – tagsüber gibt es kostenlose Parkplätze mit Duschen am weitläufigen Strand von Crissy Fields, und nachts suchen wir uns stets einen Parkplatz mitten im Villenviertel, von 8 bis 8 ist es erlaubt zu parken, und geduldet, im Auto zu schlafen. Wir treffen bei der abendlichen Parkplatzsuche immer wieder auf bekannte Fahrzeuge und Wohnmobile, stets ist das Licht aus, jeder macht sich unkenntlich und taucht am nächsten Morgen wieder am Strand auf. Genauso machen es viele Obdachlose, die das Glück haben, noch ein Auto zu besitzen – sie leben in ihrem Fahrzeug, nutzen die Toilette im Supermarkt und die Dusche am Strandparkplatz. Andere Welt, oder?

Wir trauen unseren Augen kaum, als wir am Stadtstrand einen Sprinter entdecken, Kennzeichen FÜ. Noch zwei Franken auf großer Tour, das gibt gleich einen netten Abend. Wie klein die Welt doch mal wieder ist!

Ein paar Tage streifen wir durch San Francisco, zu den Seelöwen am Pier 39, mit der Cable Car in die Innenstadt und unzählige Male mit dem Bus über die Golden Gate Bridge. Unser Städte-Highlight: das Exploratorium. Das interaktive Museum versucht sich in der Vermittlung von Naturwissenschaften, und das ziemlich erfolgreich. Wir verbringen den kompletten Tag damit, Naturphänomene zu begreifen und physikalische Experimente zu machen. Garantiert empfehlenswert, danach raucht unser Kopf und gesehen haben wir dennoch nicht alles.

Es hat Wind! Der Strand von Crissy Fields ist gleichzeitig Ausgangspunkt für die vielen Kitesurfer, die vor und unter der Golden Gate Bridge ihre Bahnen ziehen. So ein Bild wollen wir natürlich auch, die Brücke im Hintergrund, das ist ja quasi ein Muss! Nachdem sich die anderen Surfer mit Neoprenhandschuhen und Mützen ausstatten, wird es schnell nur noch für einen zum Muss: Tobi. Ich glaub, Karibik-Surfen liegt mir persönlich einfach mehr…