Patsch, patsch, macht es. Patsch, patsch, patsch, von allen Seiten. Halb 10 Uhr morgens, Tortilla, das Frühstückchen Zentralamerikas. An jeder Ecke stellen Frauen ihre Holzkohlegrills auf, schüren sie an und klopfen Fladen aus ihrem riesigen Maisteigklumpen. Hier in El Salvador lernen wir aber nun noch eine andere Form der Tortillas kennen. Für nicht mal 50 Cent werden sie mit Bohnen, fettem Käse und Fetzen von Fleisch gefüllt. Dazu wird Krautsalat und Jalapeño-Sauce gereicht. Üppig! Aber ziemlich lecker. Da sind wir also, im Land der „Pupusas“.
Das kleinste zentralamerikanische Land führt uns vor allem mal wieder vor Augen, zu welchen Abgründen das menschliche Wesen imstande ist. Eigentlich fängt es immer gleich an. Die reiche Oberschicht unterdrückt die indigenen Bewohner des Landes, eine minimale Prozentschicht herrscht über den „versklavten“ Rest. Das Kaffeegeschäft im 20. Jahrhundert boomt, das Land lebt von der beliebten Bohne, aber nur ein sehr kleiner, privilegierter Teil der Bevölkerung lebt gut davon. Die indigene Bevölkerung und die Bauern stehen auf und stellen sich gegen das System und die Großgrundbesitzer, doch die Regierung schlägt alle Aufstände mit Gewalt nieder. Und so schaukelt sich über Jahrzehnte hinweg ein Bürgerkrieg zwischen linken revolutionären Guerillagruppen und der rechten, brutalen Regierung hoch, in dem Zigtausende ihr Leben lassen, in Anschlägen, Massakern und Entführungen. Am gefürchtesten sind die „Todesschwadronen“, Sondereinheiten, die als Todeskommandos ganze Dörfer und Regionen angreifen, die unter dem Einfluss der Guerilla stehen. 1981 wird Ronald Reagan US-Präsident. Alles, was von links kommt, ist ihm ein Dorn im Auge, daher fließen wieder ordentliche Finanzspritzen aus den USA an die rechte Militärregierung El Salvadors. Die Guerilla kann vor allem im Norden und Osten große Gebiete unter ihre Kontrolle bringen. Hier leben Kämpfer versteckt in den Wäldern, in unterirdischen Camps, mit Plastikplanen vor dem andauernden Regen geschützt. Sogar eine professionelle Radiostation zur landesweiten Propaganda kann sich versteckt halten, ohne je entdeckt zu werden. Wir besuchen hier die Dörfer El Mozote und Perquín, in denen 1981 eines der grausamsten Massaker stattfand. Spezialeinheiten der Regierung, die in den USA ausgebildet wurden, rotteten ganze Dörfer aus, ganze Familien. Einheimische führen uns durch eine Ausstellung, wir besichtigen die Nachbauten der Camps und abgestürzte Hubschrauberteile. Am Denkmal für die umgekommenen Familien erzählt uns ein Dorfbewohner Genaueres über das Todeskommando. Frauen wurden auf schlimmste Weise missbraucht und mussten dann ihren Kindern beim Sterben zusehen. Als er dann noch detailliert schildert, wie die Soldaten Babys in die Luft warfen und mit ihrem Bajonett auffingen, wird uns schlecht. Wie krank ist das? Wie können Menschen auf so perverse Art foltern und morden, noch dazu ihre eigenen Landsleute? In was für einer kranken Welt leben wir eigentlich – auch heute noch…???
Wir lesen von Propagandaplakaten und Zeitungsartikeln aus Deutschland, von weltweiten Protesten gegen das Terrorregime im Kaffeeland. Der Bürgerkrieg hat 70000 Menschen das Leben gekostet, 300 000 flüchten sich in Nachbarländer. Erst 1992 kann ein Friedenskompromiss unterzeichnet werden. Die Hauptguerilla-Gruppierung FMLN wird Oppositionspartei und stellt 2009 sogar ihren ersten Präsidenten. Von Guerillakämpfern in die reguläre Politik. Doch Frieden ist ein weiter Begriff, der Bürgerkrieg ist zwar beendet, die Probleme El Salvadors aber bleiben. Weiterhin herrscht eine große Kluft zwischen Arm und Reich, viele Rückkehrer der Bürgerkriegsflüchtlinge können nicht integriert werden, die Unzufriedenheit steigt. Es sind mittlerweile keine Todesschwadronen mehr, die Gewalt verbreiten, sondern verfeindete Banden, vorwiegend Kinder- und Jugendgruppen, die ganze Regionen mit Schutzgeldern und Drogengeschäften unter ihrer Kontrolle haben. Die Mordrate in El Salvador gehört zu den höchsten weltweit, Tendenz steigend.
Immer wieder stellen wir fest, dass wir von außereuropäischer Geschichte recht wenig wissen. Die bis vor kurzem andauernden Bürgerkriege in Zentralamerika, die ständigen US-Interventionen – lernen wir darüber im Geschichtsunterricht? Auch wenn Geschichte nicht unser Lieblingsfach war, manchmal wünschen wir uns ein wenig mehr Weitblick, ein wenig mehr Wissen über die Grausamkeiten der Welt, auch außerhalb des zweiten Weltkriegs.
El Salvador ist winzig klein! Morgens in die Berge, mittags an den Strand, ist alles möglich! Und so düsen wir an die Pazifikküste, zu den „richtigen“ Surfern. Lange zu bleiben lohnt sich nicht wirklich, denn es regnet ständig. Wir sehnen uns mal wieder nach dem Hochland, dem kühlen, trockenen Wetter. An der Küste nach Norden geht es dann über die Ruta de las Flores vorbei an bewölkten Vulkanen zur Grenze nach Guatemala. Die letzte Nacht in El Salvador verbringen wir in einem Thermalbad in Ahuachapan. Der Ort versorgt mit seiner geothermischen Energie 15 % des Landes mit Strom – und uns mit warmen Schwimmbecken unterm Sternenhimmel, mitten im Dschungel, unter Mangobäumen…
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