Guatemala lässt sich wohl am besten mit drei Dingen beschreiben: bunte Stoffe, die schön(st)en Vulkane und die Maya. Dieses Land hat mal wieder alles, indigene Hochkulturen und riesige Maya-Ruinen, Dschungel, ein Fitzelchen Karibikküste, ein großes Stück Pazifik und hohe, aktive Vulkane. Wir sind gespannt! Für Tobi ist es das zweite Mal, vor über 10 Jahren hat er sich schon mal durch das bunte Land gebackpackt. Mal sehen, ob sich was verändert hat!
Unser erstes Ziel nach der Einreise wird gleich ein sehr faszinierendes. Wir laufen auf den Vulkan Pacaya, einen der drei aktiven Spucker Guatemalas. Wir stehen direkt über dem brodelnden Krater, sehen den wahrscheinlich nicht allzu alten, mittlerweile schwarzen, festgetrockneten Lavastrom und husten ziemlich, als wir genau im Windzug vor dem Vulkan stehen und die Dämpfe abbekommen. Faszinierend sind sie, die brodelnde Ungetüme. Und der Ausblick auf die benachbarten Riesen reizt uns, der Vulkan Fuego stößt riesige, graue Rauchschwaden aus, bei gutem Wetter kann man aus 20 Kilometer Entfernung wohl oft sogar die feuerrote Magma spritzen sehen. Und man kann auf den benachbarten Vulkan Acatenango steigen, um den Krater des Fuego aus nächster Nähe zu betrachten. Das wollen wir machen!
Zunächst verbringen wir aber ein paar Tage in Antigua, dem kolonialen Schmuckstück Guatemalas. Bunte Häuser, unzählige baufällige Kirchen und Klöster und vor allem Cafés ohne Ende verleihen dem Städtchen einen netten Charme, der Traveller und Auswanderer aus aller Welt anzieht. Wir dürfen auf dem Parkplatz der Polizei mitten in der Stadt übernachten, und treffen hier gleich auf fünf andere Overlander-Fahrzeuge. Alle US-Kennzeichen, in Mittelamerika treffen wir sowieso auf so viele Amerikaner wie noch nie. Große Kisten, mit V12-Motor und Klimaanlage, ohne die so eine Reise oder auch schon eine Autofahrt in den klimatisierten Walmart ja undenkbar wäre. Meistens erkennt man die Nationalität von Overlander-Fahrzeugen schon von weitem. Argentinier beispielsweise lieben alte kleine Trucks, mit Schornstein an der Seite, einem zusammengezimmerten Holzverschlag innen und einem handgeschriebenen Zettel im Rückfenster mit der Aufschrift: „Spendet uns bitte eine Gallone Benzin“ oder „Familienpizza zu verkaufen“. Fast alle Brasilianer, die wir treffen, reisen im LandRover, kommen aus Sao Paolo, und besitzen alle dasselbe passende Dachzelt auf dem Auto. Und wer französisch im Pass stehen hat, muss eine riesige Plastikschüssel steuern können und mindestens zwei Kinder mit an Bord haben. Denken in Schubladen ist toll, oder?
Nach unserem Stadtaufenthalt machen wir uns auf zum Acatenango. Die Wettervorhersage ist gut, wir wollen nachts los wandern, um den Sonnenaufgang und vor allem das Feuerspucken vom Fuego nebendran zu erleben. Das Auto parken wir im Dorf am Fuße des Vulkans auf 2500 Metern. Auch die Dorfbewohner sind überzeugt, dass die Wetterzeichen gut stehen. Sternenklare Nacht, das gäb einen schönen Sonnenaufgang, perfekt, meinen sie. Also stellen wir den Wecker ausnahmsweise mal auf 00:30 Uhr und stapfen nach ein paar Schlücken Kaffee und einer Banane mitten in der Nacht los. Es gibt mehrere verwirrende Wege, wir nehmen daher ein paar Umwege durch Maisfelder, dank GPS finden wir die Route durch die Dunkelheit dann aber schnell wieder. Der Aufstieg ist wirklich ein Aufstieg, es geht einfach nur kontinuierlich steil nach oben. Und ein wenig unheimlich ist es schon! Aber auch wunderschön, bei sternenklarem Himmel zu wandern. Vor allem ist es aber ganz schön schweißtreibend. Mal wieder haben wir vergessen, wie viel mehr anstrengender alles über 3000 Metern ist… Nach viereinhalb Stunden gehen (oder krabbeln) wir dann die letzten Meter zum Gipfel auf knapp 4000 Höhenmetern. Von zwei Schritten nach oben bleibt immer nur ein halber Schritt Gewinn übrig, den Rest rutscht man im tiefen Lava-Sand immer wieder zurück. Als wir oben ankommen, werden wir nicht mal dafür belohnt. Ich kann gerade mal das Snickers in meinen Händen erkennen. Ansonsten sind da nur Nebel, Wolken oder was auch immer um uns herum, aber keine Spur von spuckender Lava. Da hat die Vorhersage ja mal wieder voll ins Nichts getroffen. Bitterkalt ist’s auch noch. Wir vertrödeln trotzdem noch eineinhalb Stunden da oben, „vielleicht zieht’s ja noch auf“. Ja klar, Hand auf’s Herz… wir drehen um. Der Abstieg macht dafür umso mehr Spaß, im Sand lässt es sich rutschen wie im Tiefschnee. Auf halbem Wege trauen wir unseren Augen kaum, denn der Himmel wird plötzlich klar. Na super… jetzt zieht’s auf! Wie frustrierend! Umdrehen und gleich nochmal hoch laufen? Keine Option, da sind wir uns einig, dafür war’s einfach zu anstrengend…
Nicht ganz die Hälfte der Guatemalteken sind Indígenas, die meisten davon Mayas. Sie leben vorwiegend im Hochland und pflegen noch traditionelle Werte und Bräuche. Vor allem die bunte Kleidung sticht natürlich ins Auge. In Guatemala sind die Farben besonders grell, Frauen tragen mit Blumen verzierte Blusen zu bunt gestreiften Röcken. Babys kommen in ein neonfarbenes Tuch und werden einfach auf den Rücken geschnallt. Die Maya besitzen ihre eigene Sprache, besser gesagt Sprachen, denn es sind über 20 verschiedene. In den Schulen wird auf Maya und Spanisch gelehrt. Wir unterhalten uns mit einer Frau, die nebenbei ihren Kindern Anweisungen gibt, und wir verstehen absolut gar nichts. Sie meint, ihr ginge es manchmal genauso, sie könne nämlich das Nachbardorf nicht mal verstehen.
Hier im Hochland, inmitten von Vulkanen, liegt der berühmteste See Guatemalas, der Lago de Atitlán. Üppige Wiesen, Palmen und unzählige Holzstege säumen die Küste, typische Holzboote dienen den Menschen zur Fortbewegung. Die bevorzugte Kleidung ist die bunte Tracht, die rund um den See in zahlreichen Kooperativen in Handarbeit hergestellt wird. Die Dörfer der Maya haben sich viel vom traditionellen Flair und ihrer Lebensweise bewahrt, wenn auch viele Orte, Unternehmen und Kaffeeplantagen fest in ausländischer Hand sind. Der Tourismus ist zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden, vor allem der „spirituelle Ökotourismus“. Weil der See nämlich in irgendeiner Art und Weise recht günstig für den Geist, den Mond, die Sterne oder den Geldbeutel liegt, haben sich hier einige Meditations- und Selbstfindungszentren von Auswanderern eingefunden. Wir können leider nicht so lange bleiben – der Bus verträgt die spirituelle Energie nicht so – und brechen nach ein paar Seetagen Richtung Osten auf.
In der Karstlandschaft des zentralen Guatemala befinden sich riesige Höhlensysteme und unterirdische Flussläufe. Einer davon ist der Río Cahabón, der unter einer riesigen Kalksteinbrücke verschwindet, diese durchspült und am anderen Ende wieder auftaucht. Mitten im dichten, tropisch heißen Wald springen wir in die grünblauen Becken dieser Brücke namens Semuc Champey. Die Temperaturen steigen und steigen, und so sind wir momentan froh um jede Abkühlung.
Einige Kilometer auf der holprigen Zufahrtsstraße entfernt befinden sich die berühmten Grutas de Lanquin. Von Stalaktiten und Stalagmiten gesäumt führt der rutschige Weg in die dunkle Höhle, und man bekommt zumindest einen kleinen Einblick in die Höhlenwelt. Das ganze System ist riesig und noch nicht vollständig erschlossen. Am beeindruckendsten sind die kleinen Flattermänner, die bei Sonnenuntergang aus der Höhle strömen. Das müssen tausende Fledermäuse sein!
Die Kultur der Maya hatte ihre Hochzeit um 400 bis 900 n.Chr.. Große Städte waren entstanden, mit Observatorien, rituellen Ballspielplätzen und zahlreichen Tempeln. Die Maya waren eine der am höchsten entwickelten Kulturen Amerikas. Schon ihr komplizierter Kalender überfordert auf den ersten Blick, zeugt aber von großartigem Wissen über Mathematik und Astronomie.
Eines der großen religiösen, militärischen und wirtschaftlichen Zentren war Tikal. Von Herrschern wie „Mond Doppelkamm“ und „Große Jaguartatze“ aufgebaut, zählte die Stadt im Norden Guatemalas zu ihrer Blütezeit wohl 200000 Einwohner. Doch die großen Machtzentren verloren aus bisher noch unklaren Gründen um 900 n. Chr. ihre Bedeutung. Ein Großteil der Maya verschwand, Städte wurden verlassen und die Maya zerstreuten sich in viele kleine Einzelsiedlungen. Der Urwald überwucherte die Bauten, erst im 19. Jahrhundert machten sich europäische Forscher auf Expeditionstouren und legten erste Tempel frei. In Guatemala können gefühlt alle paar Meter weitere Maya-Stätten besichtigt werden. Nördlich von Tikal wollen wir zunächst Uaxactún besuchen, das auch zum Nationalpark von Tikal gehört. Eine 23 Kilometer lange Piste verbindet die beiden Stätten. Um dorthin zu gelangen, muss am Eingang des Nationalparks ein separates Ticket gelöst werden und die Straße durch das Gelände von Tikal zunächst durchquert werden. Unzählige Besucher strömen täglich nach Tikal, nach Uaxactún offensichtlich niemand. Wir lösen am Parkeingang ein Ticket für die „unbeliebtere“ Stätte, bekommen dafür ein Armbändchen in der Farbe weiß und fahren an unzähligen Reisebussen vorbei. Plötzlich sind wir ganz allein, im Dorf von Uaxactún. Die alte Landepiste, früher einziger Zugang zum Ort, bildet das Zentrum des Ortes, Pferde grasen hier, ein paar Jungs spielen Fußball und ringsherum im Wald verstecken sich die Ruinen. Der Hotelbesitzer im Ort führt eine Ausstellung von Fundstücken der Gegend, und ehrfürchtig halten wir die wertvollen, fast 2000 Jahre alten Keramikschüsseln und Steinfiguren in der Hand (!), einfach so, ohne Hochsicherheitsvitrine.
Wir schlafen direkt neben den Tempeln und sind die einzigen Touristen hier in zwei Tagen. Würden die Moskitos nicht immer dazwischenfunken, könnte man fast von so was wie einem „magischen Ort“ sprechen, wie es der Reiseführer ja so gerne macht. Ein 9-jähriger Junge führt uns durch die Ruinen und erzählt uns einiges über die heimischen Pflanzen. Vor allem freut er sich, uns den „Touristenbaum“ zu zeigen: ein Baum, dessen Rinde rotbraun wird und sich dann sofort schält. Gegen unsere insektenbedingten Aggressionen zupft er uns die Blätter des Pimentbaumes, mit denen wir uns einreiben sollen. Wir duften nach einer Tonne von Lebkuchen, aber irgendwie haben wir das Gefühl, wenigstens ein paar der saugenden Miststücke abzuhalten. Den nächsten Pimentbaum haben wir abgeerntet.
Als wir auf dem Rückweg die Zone von Tikal wieder erreichen, stellen wir fest, dass wir ja für Tikal kein Ticket gelöst haben, nur das günstige für Uaxactún. Da müsste man ja jetzt 10 Kilometer bis zum Eingangsgate zurückfahren. Wir bleiben einfach mal an der Durchgangsstraße stehen und sehen zufällig auch schon die Gehwege durch die Ruinen, nur 50 Meter entfernt. Parkwächter sehen wir dafür keine. Es scheint keine Kontrolle mehr zu geben, sobald man mal das Parkgate passiert hat. Unauffällig versucht Tobi, die Armbändchen der anderen Touristen zu erspähen. Die sind gelb, sehr blass-gelb. Und jetzt müssen wir uns gleich mal offiziell entschuldigen – wir sind ja sonst sehr brave Touristen! Nicht, dass es uns um die 40 Euro wär, die wir uns jetzt sparen könnten… Aber manchmal ist es einfach zu verlockend, wenn so eine große, berühmte Anlage so seltsam organisiert ist. Einmal was verruchtes tun… Ganz beiläufig finden wir dann im Bus auch noch einen gelben Textmarker, malen die Bändchen etwas an und verschmieren das ganze Werk noch mit Insektenspray. Blass-gelb, bitte sehr. Jetzt gilt’s. Der Bus bleibt an Ort und Stelle einfach stehen und wir spazieren wie selbstverständlich in den Park. Jawohl. Wir fühlen uns wie Bonny und Clyde. Skrupellos sneaken wir in die größte Attraktion Guatemalas, einfach so. Zumindest bis uns nach fünf Minuten der erste offizielle Tour-Guide entgegenkommt. Der erkennt sicher, dass die Bändchen komisch aussehen. Aber nein, keiner kümmert sich um uns. Wir spazieren durch die Anlagen, weitläufig und kompliziert angelegt ist sie. Die Lage inmitten eines grünen Teppichs macht die Stätte besonders. Besonders schwitzig vor allem. Einen halben Tag lang laufen wir die Tempel und Treppen ab, und als unsere präparierten Armbändchen langsam Gefahr laufen, durchzuweichen, haben wir dann auch echt genug. Unbekümmert düsen wir raus, ein gratis Tag in der größten Attraktion Guatemalas, was für ein aufregendes Geburtstagsgeschenk!
Und um den Tag perfekt zu machen, steuern wir gleich noch eine weitere Ruine an, von Steinchen kann man ja nie genug kriegen! Yaxha, nahe der Grenze zu Belize, liegt ebenso mitten im Urwald, an einem großen See. Hier gibt es den Sonnenuntergang vom Tempel aus mit ohne große Tourgruppen. Zum Gelände gehört sogar eine Campingstelle am See, an dem wir mal wieder die einzigen Gäste sind. Leider gefällt uns die Wiese nicht so recht, wir finden keinen Standplatz, an dem unsere installierte Wasserwaage bei 0 Grad bleibt – wir sind nämlich notorische Gerade-Schläfer, vor allem eineR von uns! Schlussendlich finden wir den einzigen geraden Ort: direkt an den Felsen am Seeufer. Bei Dunkelheit klopft es. Eine Einheimische beglückwünscht uns zu unserem schönen Standplatz, wir sollten nur alles gründlich ableuchten und ein wenig Krach machen, wenn wir nachts das Auto verlassen. Die Felsen wären nämlich die nächtlichen Ruheplätze der Krokodile im See. Die wären aber sonst friedlich, nur wenn sie erschrocken werden, schnappen sie eben zu. Ah ja. Eine halbe Stunde später klopft es wieder. Diesmal besucht uns ein Park-Guide, wir bekommen die gleiche Empfehlung. Mit der Zusatzinfo, dass letztes Jahr ein Parkwächter hier an den Felsen gefressen wurde, er ist wohl bei Dämmerung angetrunken ins Wasser gefallen. Aber da wären sie eben auch einfach erschrocken, die lieben Krokos. Ach, und wenn er schon mal da ist, er hätte da vorne eine Vogelspinne gesehen, ob wir die sehen möchten? Ok, jetzt reicht’s. Outdoor-Pinkeln hat sich für heute erledigt, ich schneide mir sofort eine leere Wasserflasche zurecht und werde den Bus bis zum nächsten Tag auf überhaupt gar keinen Fall mehr verlassen!
Nachts liegen wir dann auf der Lauer und leuchten immer mal wieder von unserem Dachzelt aus in die Dunkelheit, so ein Foto mit Krokodil vor dem Bus, das wär schon was… Leider hat sich keines der Lieben herausbequemt. Am nächsten Morgen sehen wir eines stetig am Ufer auf und ab dümpeln, die Parkwächter meinen, es würde sich wohl nicht trauen, solange da jemand parkt. Haben wir an unserem Abenteuertag heute also auch noch ein Krokodil vertrieben, yes!!!
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