„Pura vida“ mit einem nordamerikanisch gerollten „r“, so werden wir täglich begrüßt. Sie lachen und winken, und sind wieder mal furchtbar freundlich. Und entspannt sind sie, die „Ticos“. Ordentlich arbeiten und dafür genießen, fröhlich sein und das Leben auskosten. So lautet das Lebensmotto in Costa Rica. Hier leben einheimische Afroamerikaner, Nordamerikaner und Europäer so durchgemischt, dass man manchmal schon gar nicht mehr weiß, in welchem Land man eigentlich gerade ist. Schaut man dann aus dem Fenster, fällt es einem aber wieder ein. Costa Rica ist nämlich grün, wahnsinnig grün. Affen und Faultiere teilen sich die Bäume, am Boden kreucht und fleucht es in allen Größen und Farben. Dieses Land besitzt eine unglaubliche Artenvielfalt, das tropische Klima und vor allem die aktuellen Regenfälle lassen alles blühen, was überhaupt nur blühen kann.
Wir reisen über die Bananenplantagen im Norden von Panama nach Costa Rica ein. Da sind wir nun, in der Karibik, unter Kokospalmen, im türkisblauen Wasser. Im Paradies sozusagen. Nicht für alle. Tobi hat schnell beschlossen, dass er zukünftig beim Blick in Urlaubskataloge, die Kokospalmen und türkisblaues Wasser anpreisen, doch bitte unverzüglich an die Massen von Moskitos und den dauerhaften Schweißfluss erinnert werden möchte. Paradiesisch sind die unzähligen juckenden roten Schwellungen nämlich gar nicht. Und das türkisfarbene Wasser hilft auch nicht, diese Badewanne ist ja brühwarm. Zum Glück gibt es Anti-Brumm und im Gefrierfach unserer Schweizer Freunde genügend Eiswürfel. Die klirren in rauhen Mengen ins Cocktailglas, und so verbringen wir schwitzend und manchmal dennoch fluchend über sämtliches Getier ein paar sehr schöne Tage am Traumstrand.
Und wir sind um eine weitere Erfahrung reicher, diesmal aus der medizinischen Kiste. Unfall-Selbstversorgung am Strand, check. Endlich haben wir das Nahtmaterial einmal gebraucht! Tobi hat’s erwischt. Mit dem Fleischmesser ist er abgerutscht, genau auf das Gelenk am Ringfinger. Immerhin hat er keine Sehne erwischt, zwei Nähte sind an dem Läppchen trotzdem nötig. Mittlerweile ist’s auch schon gut verheilt – bin sehr stolz, gemeinsam mit Wodka-Lemon näht sich’s einfach gut.
Irgendwas geht eben immer kaputt – und wenn es gerade nicht der Bus ist, muss etwas anderes herhalten. Als nächstes ist mal das MacBook an der Reihe. Noch in Panama, am Strand von Las Lajas, hat uns nachts ein stürmischer Regenguss überrascht. Leider hat es durch die offenen Zeltfenster genau auf das MacBook geregnet und wir haben es zu spät bemerkt. Diagnose: Monitor und Hauptplatine gewässert und kaputt. Gut, dass das gerade in den teuersten Ländern Mittelamerikas passieren muss… Laut Apple-Shop wären da ja nur 1200 USD fällig. In der Hauptstadt San José entdecken wir dann aber unseren wahrscheinlich liebsten Ort Costa Rica’s – ein Apple-Service-Shop, der uns kurzerhand Platine und Monitor tauscht, für erschwingliches Geld und mit netter Unterhaltung obendrein. Glück gehabt, danke Costa Rrrrica, das gibt einen dicken Sympathiepunkt. Am selben Tag bekommt der Bus gleich noch eine neue Hinterbereifung, alles in allem ein sehr erfolgreicher, wenn auch teurer Tag… Wobei das mit den Reifen schon einen Haken hat: der Bus trägt ja eigentlich BF Goodrich, die hätten wir ihm auch gerne wieder besorgt. Doch in Costa Rica sind wir dafür falsch. Für einen Reifen des gleichen Typs hätten wir hier knappe 350 US-Dollar lohnen müssen – richtig, für EINEN! Die kosten in Deutschland gut ein Drittel! Da haben wir wohl was falsch recherchiert, hätten wir die mal besser bereits in Kolumbien gekauft, da hätte es sie noch zu vernünftigen Preisen gegeben… Grübeln hilft jetzt aber nichts, die Reifen sind einfach mittlerweile so abgefahren, dass „Profil“ schon ein gut gemeintes Kompliment wäre. Wir sind ja jetzt lange genug auf dem Kontinent, auf dem Autos auch mit vier verschiedenen Reifenmodellen funktionieren. Also gibt es für die Hinterpfoten günstigere Schuhe anderer Marke, die letzten Monate unserer Reise muss der Bus damit klarkommen, wir müssen sparen, Punkt. (Auf künftigen Fotos wird der Bus auf Tobi’s Wunsch hin nur noch mit Vorderreifen abgebildet sein.)
Am Fuße des Vulkans Arenal, den wir im Wolkenmeer nie auch nur erkennen können, treffen wir Rudolph wieder und warten vergeblich auf ein wenig Wind. Der See zählt zu den beliebtesten Wind- und Kitesurfspots in Mittelamerika, aber eben in der Hochsaison, die wir nach unseren Werkstattverzögerungen ein klein wenig verpasst haben. Stattdessen werden wir mit einem Käsefondue getröstet: die Schweizer Heidi und Wolf leben seit einigen Jahren am See, gabeln uns herzlich an der Tankstelle auf und zeigen uns ihr schönes Zuhause mit Seeblick, das sie demnächst aber aufgeben möchten – ebenfalls, um zu reisen. Der See ist überhaupt ein beliebter Wohnraum für sämtliche Arten von Gringos geworden. Ringsum leben Europäer und US-Amerikaner, es gibt Burgerläden, Brauereien und Bäckereien, die von Einwanderern betrieben werden. Wir lesen von Hefezopf, Sauerkraut und Bratwürsten und fühlen uns plötzlich so gar nicht mehr in Zentralamerika. Costa Rica bietet wohl die perfekten Auswanderungsbedingungen: warme Temperaturen, immergrüne Landschaften, ein sehr gutes Gesundheitssystem und super Bildungsmöglichkeiten. Ausländern wird es leicht gemacht, hier zu leben und zu investieren. Die „Schweiz Mittelamerikas“ hat im Jahr 1949 das Militär abgeschafft, es gab und gibt keine größeren Konflikte mit Nachbarländern, keinen Bürgerkrieg, keine politische Krisen – „bei uns ist alles ein wenig teurer, unsere Gehälter sind dafür auch nicht bombig, im Gegenzug leben wir aber sehr friedlich, Krise und Krieg kennen wir nicht, unser Gesundheitssystem ist praktisch umsonst und keiner muss auf der Straße leben – was wollen wir also mehr? Genießen wir unser Leben!“ erzählt uns eine Einheimische. Irgendwie echt beeindruckend, wenn man die Geschichte und die aktuellen Probleme der Nachbarländer da so verfolgt!
An der Pazifikküste werden wir fündig – es hat endlich wieder mal Wind. Zwei Tage werden die Kites an der Bahia Salinas aufgepumpt, dann genießen wir noch eine Nacht mitten im Regenwald, auf einem Campingplatz, betrieben von einem – wer hätt’s gedacht – Schweizer Paar. Die beiden haben sich eine Finca mit einer Umgebung geschaffen, die einem Nationalpark gleicht. Faultiere und Affen, Dschungelpfade und sogar ein Krokodil finden wir hier. Ein wenig kann man die Auswanderer ja schon verstehen…
Wir fühlen uns in Costa Rica richtig wohl, drücken jetzt aber trotzdem etwas auf das Gaspedal. Unsere Reise neigt sich ja allmählich dem Ende zu, nur noch ein knappes halbes Jahr haben wir (*Schmunzel*). Wir und der Geldbeutel, und ich glaube, auch der Bus, freuen sich langsam richtig auf Zuhause! Drum – schnell weiter nach Nicaragua…!
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