Mit Brownies und dem MacBook bewaffnet sitz ich hier, auf einer Bank mit Blick auf die Golden Gate Bridge. Ich versuche, mich an die Highlights der Baja California zu erinnern, während unzählige Jogger und Hunde-Sitter an mir vorbeirauschen und die Boote der Rolex-Regatta hier in der Bucht von San Francisco gerade ihre Manöver absolvieren. Eine komplett andere Welt! Vor gerade einmal drei Wochen haben wir noch Tacos vom Straßengrill gegessen und den Bus durch staubige Kakteenlandschaften gesteuert. Und jetzt sind es achtspurige Autobahnen und Food-Malls, durch die wir navigieren. Eine Landesgrenze kann so einiges ändern, die Grenze zu den USA war wohl die eindrucksvollste auf unserer gesamten Reise. Aber jetzt switchen wir erst mal wieder zurück, in die letzten Wochen unserer Zeit in Mexiko.

Die Baja California ist für viele Reisende das Herzstück Mexikos. Genauso lieben die Kalifornier den nahegelegenen Landeszipfel. Perfekte Surf- und Campingbedingungen, gutes mexikanisches Essen und sandige Offroadstraßen, das alles findet man entlang des Highway Nr. 1, der uns von Süd nach Nord einmal durch die Baja California führt. An jedem noch so öden Eck stoßen wir auf nordamerikanische Langzeit-Camper. Die amerikanische „Niederlassung“ hier scheint immer nach demselben Plan abzulaufen: anfangs wird der Trailer oder das RV abgestellt, nach einigen Monaten wird ein Zaun und eine Veranda drum herum gebaut, im nächsten Jahr entsteht eine Hütte daneben, bis irgendwann dann um den Camper herum gleich ein Haus gebaut wird. Anfangs sind wir verwirrt, wer will schon in diesen heißen, öden Wüstengegenden wohnen? Doch als wir die windige, nachts kühle Westküste kennenlernen und das glasklare Wasser der Bahía de Los Ángeles sehen, können wir es langsam verstehen. Die Baja hat ihren ganz eigenen Reiz, und wird auch für uns zum schönsten Teil Mexikos.

Um die südliche Baja zu erreichen, müssen wir vom Festland Mexikos aus eine Fähre nehmen. Im Hafen von Mazatlán werden wir chaotisch hin und her geschickt, bis wir an der Fahrzeugwaage landen. Da verbringen wir dann eine Stunde bei 40 Grad in der Schlange, nur um am Ende im rüdesten Spanisch mitgeteilt zu bekommen, dass die Fähre voll wäre. Es gibt noch ein weiteres Schiff, für das müssen wir uns aber nochmal an der Wiegestelle anstellen – weil nämlich für jede Fähre eine spezielle Dame an der Waage einen speziellen Zettel mit dem Gewicht des Fahrzeugs ausfüllen muss. Ein Hoch auf mexikanische Organisation! Unser fränkischer Grantel-Pegel fängt schon wieder an, zu steigen. Als wir dann endlich bis zu diesem furchtbar bedeutenden Zettel gelangen, stuft uns die verantwortliche Dame in die nächstteurere Klasse ihrer Fährtarife ein. Ein Auto seien wir nämlich nicht. Die dicken PickUps neben uns sind zwar länger und mit Sicherheit deutlich schwerer, aber wir hätten ja sicherlich Campingausrüstung „und so was“ im Auto, meint die Dame kaugummikauend, da wär man dann schon automatisch in der nächsten Kategorie. Aha. Wir nehmen auf dieser riesigen Fähre weder mehr Platz noch Gewicht ein als die anderen Fahrzeuge um uns herum, aber sollen trotzdem ein Drittel mehr bezahlen. Auch ihr pornosonnenbrillentragender Kollege pflichtet ihr bei, ganz klar, das wär schon richtig so. Tobi schwingt sich schneller wieder hinter’s Steuer, als die beiden ihren Zettel zucken können, und schon düsen wir aus dem Hafengelände raus. Wir sind genervt, manchmal fühlt man sich einfach abgezockt, und darauf haben wir gerade keine Lust. Wir fahren einfach die Küste entlang nach Norden, in 400 Kilometern Entfernung liegt Los Mochis mit seinem Hafen Tobolobampo. Hier haben wir mehr Glück, die Fährstrecke ist deutlich kürzer und damit billiger, wir bekommen sofort einen freien Platz, und noch dazu in der günstigsten Kategorie. Gut gemacht, Baja, wir kommen!

Die mexikanische Landzunge an der Grenze zu Kalifornien scheint für den Nordamerikaner unser Mallorca zu sein – vor allem im Norden, in der Region um Ensenada, und ganz im Süden, um das Cabo Pulmo, wimmelt es von Malls, amerikanischen Resorts und englischen Werbebannern. Dazwischen gibt es Wüste, soweit das Auge reicht. Und Kakteen. Der Abschnitt des Highway 1 hier führt durch weite Wüstenregionen, Kakteenfelder und Berge, und gilt als einer der schönsten Abschnitte Nordamerikas. Wir staunen über das ruhige, glasklare Wasser des Golfs von Kalifornien an der Ostküste der Baja. Fast immer haben wir den Strand für uns allein, als einzige Camper, denn es ist Nebensaison, und das hat seinen Grund: vor allem im Juli und August ist es extrem heiß, auch nachts, der Wind fängt erst wieder im Oktober an zu blasen. Leider verpassen wir damit auch die Kite-Saison, ein bißchen frustriert stehen wir bei Windstärke 0 an den bekanntesten KiteSpots der Baja, La Ventana, Los Barriles…

Ausgerechnet zur größten Hitze beschließt dann tatsächlich der Kühlschrank, den Geist aufzugeben. Obwohl unsere robuste Kompressorkühlbox fast so alt ist wie der Bus selbst, hat sie bisher einen super Job gemacht. Vor ein paar Monaten hat sie dann das erste Mal gemuckt, mit einer neuen Ladung Kühlmittel konnten wir sie aber wieder zufriedenstellen. Wir machen uns also wieder auf die Suche nach Kühlmittel und finden in einem kleinen Ort eine Art Kühlschrankwerkstatt. Gemeinsam mit Vater, Sohn und Mr. Google verbringen wir fröhliche drei Stunden mit der Problemsuche – netter Nachmittag, leider mit dem Ergebnis eines endgültig irreparablen Kühlschranks. Jetzt geht er wirklich nicht mehr, der Kompressor selbst macht Probleme, den können wir leider nicht mehr reparieren. Wir zwei Milchkinder können ihn daher jetzt nur noch als Kühlbox benutzen und müssen uns daher täglich mit Eiswürfeln versorgen, einen ähnlichen Kühlschrank zu finden, das ist hier erst mal unmöglich. Und so lange sind wir ja auch gar nicht mehr unterwegs…

Als müsste er gleich immer alles nachmachen, meldet sich der Bus am nächsten Tag gleich auch noch zu Wort: dieses Mal möchte er nicht mehr so recht anspringen. Gut, dass wir gerade 20 Kilometer weg von der Hauptstraße am idyllischen, einsamen Strand stehen. Nur Tobi’s Fluchen ertönt in der Wüste um uns herum. Mit Silikonspray und fast leerer Starterbatterie springt der Motor dann doch noch irgendwie an, was wirklich das Problem ist – keine Ahnung. Erst zwei Tage später lacht Tobi erleichtert auf, nur eine Sicherung an der Vorglühanlage ist durchgebrannt – wow, das war ja mal einfach!

In der Bahía Concepción stoßen wir auf einen traumhaften Kiesstrand. Das Wasser ist glasklar und bis auf ein paar nächtliche Fischer sind wir allein. Fast zumindest, hier lernen wir nämlich Michaela und Alex (aus Australien und Brasilien) kennen, die mit ihrem Mitsubishi Delica „von oben nach unten“ unterwegs sind. Es wird gefischt, nach Muscheln getaucht und gefilmt – die beiden sind fleißige Blogger (Greeting the world) und haben ihren eigenen YouTube-Kanal – neuer Stern am YouTube-Himmel: der Bus!

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Wir kreuzen auf die andere Seite der Baja, an die Pazifikküste. Dort soll es windig sein, und so landen wir in Punta Abreojos, einem Fischerdorf, und lernen deutsche und amerikanische Auswanderer und Langzeiturlauber kennen. Trailer und Camper, alle stehen sie hier wieder, ob für ein paar Tage oder Monate. Und was machen die alle hier?? Eigentlich vor allem eines: Surfen. Wellensurfen, Kite-Surfen mit Surfboard – der Swell bestimmt den Tagesplan. Für uns Flachwasser-Kiter gibt’s hier wenig Verständnis, Twin Tip? Ja, schon mal gehört, aber nie benutzt. Richtig Surfen müsst ihr! Also schwingt sich Tobi in die Wellen, und siehe da – wir müssen wohl ein Surfboard kaufen! Ich dagegen gebe schnell auf, Angsthasen und Wellen vertragen sich gar nicht… ich bin froh, als uns Steve aus San Diego durch die Sanddünen zur Lagune nach La Bocana führt. „Little Egypt“ nennt er den Spot – butterweiches Wasser und sogar ein paar Delphine, das ist dann schon mehr nach meinem Geschmack!

Auch an den Kites hat die Reise ihre Spuren hinterlassen, knapp zwei Jahre in der Dachbox sind sie mittlerweile der Hitze ausgesetzt, das Material wird einfach spröde. Zwei neue Risse müssen wir in Punta Abreojos flicken, wir kleben Reparaturtape darauf und geben sie zu einzigen Näherin im Dorf. Sie soll nur noch eine Naht am Rand legen, damit die selbstklebenden Tapes auch wirklich halten. Als wir die Kites am nächsten Morgen abholen, sind wir sprachlos. Sie näht die Klamotten für die Kinder im Dorf, gerne aus Jeans, wie wir danach erfahren. Und so prangen da auf dem Kite jetzt vier große Jeansquadrate, von beiden Seiten hat sie den Stoff mit Jeans geflickt. Ob das an unserem Spanisch lag oder ob sie’s gut gemeint hat – wir werden es nie erfahren, in jedem Fall hält diese Reparatur für ewig…

Ein paar Tage bleiben wir hier, kosten tagsüber den Wind und am Abend die Fisch-Tacos aus. Oder die Burger, die abends in der zum Grill umfunktionierten Schreinerei verkauft werden. Hauptverkehrsweg ist die sandige Landepiste, wir jagen den Bus täglich mehrmals drüber, um zwischen den neuen Trailerfreunden, unserem Standplatz und dem Dorf hin und her zu düse. Ja, jetzt haben wir das schon verstanden, das Leben mit dem Sand und den Tacos, dem Swell und dem Bier…