Mit goldener Halskette und dunkler Fliegersonnenbrille steht er da und funkelt uns böse an. Betteln und plötzliche Spanischausfälle bringen da heute gar nichts, mit ungewöhnlicher Standhaftigkeit will er sie echt haben, unsere belizianische Riesen-Ananas. Der strenge Mann der mexikanischen Fruchtkontrolle an der Grenze, das ist also unsere erste Begegnung mit Mexiko, dem viel gelobten Land. Hier wird’s wieder unendlich weit, günstig, traumhaft schön – ach, wir haben so viele Lobreden von anderen Overlandern gehört, dass unsere Erwartungen echt hoch liegen. „Nur“ zwei Monate haben wir Zeit! Mein ich-will-so-viel-sehen-Hirn dreht sich jetzt schon im Kreis – ob das ausreicht…?
Wir starten mit Yucatán, der tropischen Halbinsel mit seinen türkisen Karibikstränden und schwülen Maya-Ruinen. Man muss noch nicht mal am Meer sein, um in klaren, schimmernden Gewässern zu baden, schon beim ersten Stopp an der Laguna Bacalar staunen wir über das kristallklare Wasser des Sees.
Die berühmte Sandzunge Cancúns mit ihren umliegenden Küstenregionen ist DIE Mega-Ferienfabrik Mexikos. Über 100 Flugzeuge täglich (!) landen in der Hochsaison auf dem Airport und bringen Touristen in eines der Super-Resorts, Wasserparks oder zu den Kreuzfahrtschiffen. Wie ein einziger riesiger Freizeitpark erscheinen uns manche Küstenabschnitte. Wir starten im Süden, in ruhigen Fischerdörfern, und arbeiten uns an der Küste nach oben. Kein Wunder, dass sich Hotels hier lohnen – die Strände und das Wasser sind wirklich traumhaft schön. Leider sind die Strandabschnitte außerhalb der Hochburgen aber auch vermüllt, und nicht nur der (erschreckend große) Berg von angeschwemmten Plastik ist daran schuld, sondern auch die Hinterlassenschaften der Touristen verschandeln die Strände. Wie so oft fahren wir auch hier in Mexiko hinter PKWs und Reisebussen her und sehen die leeren Flaschen, Chips-Packungen und Tüten einfach nur so aus dem Fenster fliegen. Ob Glas oder Plastik, alles fliegt an den Straßenrand.
Wir schnorcheln an der Küste und schwitzen uns durch die Ruinen von Tulum. Bekannt sind sie für ihre schöne Lage direkt am Meer. Unglaublich bekannt, denn die Warteschlange am Eingang besteht aus gefühlten weiteren 5000 Besuchern. Aber zum Glück gibt es nebendran einen „Selfdesk“, an dem per Kreditkarte der Eintritt gekauft werden kann. Ja, die einsamen Sehenswürdigkeiten mit schäbigen, verhandelbaren Kassenhäuschen aus dem Süden sind schon lange vorbei, wir vermissen sie sehr…
Die Temperaturen erreichen mittlerweile 45 Grad, ob im Bus oder draußen, das macht keinen großen Unterschied. Der Ventilator läuft im Dauerbetrieb, ob der die zwei Monate durchhält, mal sehen.
Wäsche brauchen wir so gut wie keine mehr, die Badehose und der Bikini reichen völlig. Zum Glück gibt es Yucatán’s berühmte Cenotes: die Halbinsel ist eine flache Kalksteinplatte. Diese poröse Oberfläche ist an zahlreichen Stellen eingebrochen. Unterirdische Flussläufe füllen diese trichterförmigen Becken mit klarem, kalten Süßwasser, in dem man sich super abkühlen kann. Den Mayas galten die oft unterirdischen Becken als „göttlich“ und wurden so zu Kultstätten. Heute kann gebadet, geschnorchelt und oft auch getaucht werden.
Trotz Ende der Wind-Saison geben wir die Hoffnung nicht auf und fahren ein paar Kitespots an der Küste ab. In El Cuyo werden wir dafür ein wenig belohnt, wir finden ein schönes Stück Strand mit ein wenig Wind und viel Ruhe abseits vom Touristenrummel der Küste Cancúns.
Hier an der Nordküste Yucatáns mischt sich das karibische Meer mit dem Golf von Mexiko, was der Wasserfarbe aber nichts anhaben kann, es ist immer noch klar und türkis. Als wir an den Salzlagunen um Río Lagartos mit ihren Pelikanen und Flamingos vorbeidüsen, legen wir eine Vollbremsung ein. Da krabbelt ein kleines, zappeliges Etwas über die sandige Straße. Da hat sich ein Schildkrötenbaby zwischen Lagune und Meer verirrt, was für ein goldiges kleines Ding! Nachdem wir die Idee, das Porta Potti in ein Schildkrötenzuhause umzufunktioneren, ausführlich diskutiert haben, trägt Tobi das nervöse Tier dann doch Richtung Meer. Schwupps, da zappelt es schon in der Brandung und wird wieder zurückgeworfen. Beim zweiten Mal klappt es dann – tschüss, kleine Angie, lass dich nicht unterkriegen da draußen!
Windguru sagt, auf Isla Holbox gibt es Wind. Und der Reiseführer sagt, auf Isla Holbox gibt es Walhaie, bester Sichtungsmonat ist Juli. Also los. Zum Glück gibt es auch eine Autofähre, den Bus wollen wir nämlich nicht wieder stehen lassen. Zusammen mit ein paar kleinen Versorgungs-LKWs schippern wir hin. Zwischen den sehr wenigen LKWs und Pick Ups auf der Insel fallen wir auf, die sandigen Straßen sind mehr für Golfkarts gedacht. Die Strände der Insel sind traumhaft, das Wasser flach und klar, es gibt bunte, kleine Hostels und Strandbars. Insgesamt wirkt die Insel etwas wie Caye Caulker in Belize, sehr entspannt, und viel gemütlicher als Playa del Carmen und Cancún mit ihren Bettenhochburgen. Den Bus stellen wir direkt an den Strand und kiten fast allein im flachen Bilderbuchwasser. Ein kleines Murren kommt von der Seite: ja, stimmt, eigentlich kite nur ich, es ist mal wieder Mädchenwind. Jedenfalls ist es traumhaft schön!
Nur die unglaubliche Hitze nachts und die mistigen, nervigen, fiesen Sandfliegen könnten einem hier die Stimmung vermiesen. Ach ja, und das Malheur mit unserer Markise. Wir stellen vormittags die Markise auf, setzen uns in ihren Schatten und warten auf den WIND. Ja, wir warten auf WIND. Deswegen rollen wir die Markise auch nur auf, stellen sie hin und befestigen sie nicht fest auf dem Boden. Weil wir auf WIND warten. Als die erste Böe dann kommt, zeigt die Markise, wie sie fliegen kann und schlägt mit Schwung auf dem Bus auf. Intelligent war das mal wieder, nun haben wir es geschafft, das Markisengestänge auch noch kaputt zu kriegen. In letzter Zeit hat uns der Bus gar keine Arbeit gemacht, dafür hat Tobi jetzt mal wieder das Vergnügen, bei 40 Grad was zu reparieren. Wurde mal wieder Zeit…
Ein weiterer Grund, um auf Holbox zu verweilen, sind die riesigen Walhaie, die sich im Sommer im warmen karibischen Meer vor der Nordostküste Yucatáns aufhalten. Vor allem im Juli und August tümmeln sie sich hier, und man kann sogar mit ihnen schnorcheln, während sie Plankton und Seegras mit ihren riesigen Mäulern verschlingen. Ob die vielen Touristenboote und Schnorchler den Walhaien auf Dauer gut tun, ist wohl noch nicht ganz ergründet, jedenfalls gibt’s Schutzzonen und zahlreiche Regularien – ach, aber wir wollen auf jeden Fall die Tiere kennenlernen!
Wir buchen uns auf ein Tourboot ein, schlappe 160 USD bezahlen wir für uns beide, dafür gäb’s aber garantiert einen Walhai zu Gesicht, ein paar weitere Stopps unterwegs und frische Ceviche vom Captain. Ah ja, alle Agenturen bieten dasselbe an, Preis gleich, Boote gleich, sogar das Geschirr für die Ceviche ist gleich, da kann man ja schon mal nichts falsch machen. Nach einer Stunde Anfahrt per Motorboot sind wir dann da, im Fressgebiet der Walhaie. Mit Dutzend anderen Booten wird nun gesucht, und siehe da – bald sichtet unser Captain einen. Schnorchelausrüstung an, und schon geht es pärchenweise jeweils mit dem Guide ins Wasser und es wird mit den Flossen gepaddelt, was das Zeug hält. Der Walhai frisst nämlich, und bewegt sich währenddessen „gemütlich“ vorwärts, für uns also im Sprinttempo. „Unser“ Walhai ist noch ein jüngerer, er misst lediglich 4-5 Meter in der Länge, und ist (leider) auch noch ein wenig schüchtern. Normalerweise bleiben die Giganten wohl an der Wasseroberfläche und lassen sich nicht von aufgeregten, mit GoPro bewaffneten Touristen beeindrucken, doch dieser hat Angst – oder ist einfach maximal genervt – und taucht immer wieder nach unten ab. Ein zehnsekündiges Schauspiel, in dem wir ihn nur kurz zu Gesicht bekommen. Leider zu wenig, um brauchbare Fotos zu schießen. Trotzdem beeindruckend, beim zweiten Schnochelgang springen wir ins Wasser und ich lande direkt vor dem Walhai. Ich schwimme über ihm, blicke direkt in sein geöffnetes großes Maul, und er gleitet unter mir weg. Irgendwann kommt mir seine Rückenflosse entgegen, sie reicht von ihm bis hoch zur Wasseroberfläche – schnell ausweichen! Und schon ist er wieder weg. Nachdem jeder zweimal ins Wasser gehüpft ist, ist das Spektakel auch schon wieder vorbei. Zugabe gibt’s keine, obwohl bei der Buchung jedem erzählt wurde, dass man drei bis viermal ins Wasser dürfe. Und man würde sowieso mehrere Walhaie sehen, es gibt ja ach so viele momentan! Der Captain erzählt uns dann, dass aktuell nicht viele Walhaie zu sehen wären, da in den letzten Wochen nicht viel Plankton da ist, hat wohl mit dem Wetter zu tun. Tja, da ist sie wieder, die Touristen-Maschinerie, wie wir sie lieben. Aber das Walhai-Junge, das war trotzdem toll!
Nach unserem Strandurlaub machen wir uns auf Richtung Campeche. Unterwegs besuchen wir ein paar der kühlen Cenotes, es gibt sie tatsächlich an jedem Straßeneck! Ob groß touristisch vermarktet, oder versteckt am Dorfrand, überall finden wir welche. Am Cenoten San Antonio in Homún bleiben wir ein wenig, der Besitzer der ehemaligen Hacienda hat angefangen, den Cenoten auf seinem Grundstück öffentlich zugänglich zu machen und ein Restaurant daneben gebaut. Wir probieren uns durch die yukatekischen Gerichte, die schon recht lecker sind, vor allem das zarte Schweinefleisch mit Salsa… Er ist ziemlich stolz auf die Geschichte seines unterirdischen Wasserlochs, erzählt uns über die Kultrituale der Maya und die göttliche Bedeutung der Steinformationen in der Grotte. Die Stalaktiten außen herum hat er zur Hälfte abgesäbelt, aus Sicherheitsgründen. Nachdem er recht ausführlich über den großen kulturellen Wert dieser Stätte referiert hat, fängt er dann an, mit einem Kärcher-Gerät zu hantieren. Er spritze die Höhle und die Stalagmiten nämlich täglich ab, weil die Touristen, die haben’s gern sauber, hat er festgestellt. Manchmal ist es einfach nur zum Schießen, wir kriegen uns fast nicht mehr ein, wie wir da unser mystisches Höhlenbadeerlebnis mit dem Hintergrundgeräusch eines Hochdruckreinigers genießen. Abends schenkt er uns dann noch ein großes Stück Pizza – die Pizzeria im Dorf, die gehört nämlich auch ihm. Gutes Essen und Gesundheit, das seien die wichtigsten Dinge im Leben, erklärt er uns, während er sich selbst das dicke Teigstück mit der dicken Käseschicht in den Mund schiebt. Einfach nur liebenswürdig, der Herr… 😉
Campeche, am Golf von Mexiko gelegen, war zur Zeit der spanischen Konquista wichtigster Hafen der Yucatán-Halbinsel. Diverse Male wurde die Hafenstadt von Piraten überfallen, Berühmtheiten wie Henry Morgan oder William Parker veranlassten die Stadtbauer, hier massive Festungsanlagen zu errichten. Heute lässt es sich gemächlich durch die Stadt und die ehemaligen Verteidigungsbastionen schlendern, die Altstadt ist sauber und renoviert. Auf der Suche nach einem Friseur stolpern wir in den Laden eines älteren Herrn, der auf seinem Kundenstuhl gerade ein Nickerchen macht. Zwischen wackeligen Schränken, einem alten Röhrenfernseher und blumigen Vorhängen bekommt Tobi für umgerechnet 3 Euro einen nahezu perfekten Haarschnitt. Der wortkarge Señor führt die Schere mit unglaublich ruhiger Hand.
Danach finden wir noch eine Werkstatt, in der wir den längst überfälligen Ölwechsel machen können. Wir sind etwas nachlässig geworden, aber seit wir den Bus nicht mehr allzu arg bemuttern, fährt er irgendwie einfach… Die Werkstatt hat gerade nichts zu tun, und so stehen Tobi vier Mechaniker zur Seite, jeder will helfen und kucken. Alles in allem ein sehr konstruktiver Tag, wir verlassen die Stadt, bleiben noch ein paar Kilometer lang an der Küste, um dann wieder ins schwüle Innenland abzubiegen – es wird mal wieder Zeit für Steine!
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